Die EU Urheberrechtsreform wurde heute im EU Parlament angenommen.
Ein Kommentar von Marius:
Die Entscheidung war zwar nicht direkt knapp, aber auch nicht so überwältigend, wie Herr Voss das wohl gehofft haben dürfte: 348 Ja, 274 Nein, 36 Enthaltungen. Nun haben wir den Salat namens „Copyright in the Digital Single Market“.
Fragen wir uns mal ganz objektiv: Wer gewinnt dabei ?
Es wurde ja von Herrn Voss und Verbündeten die ganze Zeit verbreitet, daß Google eine „Demokratie per Shitstorm“ in Gang gesetzt hätte. Warum sollten die das tun, wo doch die neue Regelung dem Konzern eine Monopolstellung in einem Wachstumsmarkt garantiert? Ach Sie dachten, daß Gesetz würde Google irgendwie belasten? Nein, das belastet die gar nicht. Die Uploadfilter, die eine unweigerliche Konsequenz aus der Notwendigkeit/Pflicht zur Verhinderung des Upload urheberrechtlichgeschützten Materials darstellen, da die Menge an Uploads im Falle von YouTube von Hand gar nicht mehr geleistet werden kann, setzen derzeit nur wenige Plattformen ein, nämlich Google und Facebook. (Und vielleicht noch was in Asien.)
Statt also deren Macht zu verringern, hat man deren Position sogar noch gestärkt. Ein Schelm, wer jetzt mutmaßt, daß Herr Voss möglicherweise von Google bezahlt wurde 😉 Fakt ist aber, daß kleinere Unternehmen, die Uploadfilter ja auch einsetzen müssen, diese irgendwo her beziehen müssen und wo könnte das wohl sein ?!
Selbst wenn diese Unternehmen jemand anderen finden, der ihnen Content-Filter verkauft, bleibt ja noch das Problem, daß man nur filtern kann, was man auch kennt. Die Macher der Richtlinie haben das Problem einfach ausgeblendet und „den freien Markt“ regeln lassen.
Da wurde heute im Parlament explizit noch einmal von der Pro-Seite betont, daß ja nirgends Upload-Filter wörtlich erwähnt werden, was immer noch stimmt, aber auf die Nachfrage, wie das wohl ohne geht, auf die „Firmen“ verwiesen wurde, „die wären ja gerade frei das selbst zu entscheiden“. Meint also: „Wir geben die Filterung vor, aber wie Ihr das erreicht, ist uns doch egal.“ Wer den Text der EU Verordnung gegen die Verbreitung von Online-Terror gelesen hat, dem kommt das irgendwie bekannt vor. In der Verordnung fordern die Verfasser auch Sachen, die nicht da sind, und auch in absehbarer Zukunft nicht da sein werden, und überlassen es dem Unternehmen, da eigene Weg zu finden.
Was heißt das denn nun, wenn Unternehmen eigene Weg finden sollen?
D.b. die können tun was Sie wollen. Also werden die, mangels Manpower, automatische Systeme einsetzen. Die können nicht zwischen Satire mit geschütztem Material und einfach nur geschütztem Material unterscheiden, weil sie nun einmal keine Menschen sind, und auch denen fällt das im Einzelfall schwer. Wäre das anders, bräuchte man keine Gerichte mehr. Ergo, wird das Recht, daß auch im neuen Urheberrecht drin steht, nämlich zu Zitieren, möglicherweise von den Filtern beschnitten. Natürlich gibt es Beschwerdeportale, das ist ja jetzt auch schon so, und dann wird das von einem Menschen nachgeprüft und für ok befunden. Was ändert sich grade bei YouTube jetzt eigentlich für die User ? Nichts.
Was sich aber ändert ist, daß alle anderen, egal was für benutzergenerierten Content die haben, auch zwangsweise Filtern müssen, spätestens ab dem Moment, wo jemand da mal was bemängelt hat. Das gilt z.B. auch für Betreiber von Social-Media Pods wie Friendica, Mastodon & Co, wenn dort andere User als der Betreiber selbst einen Account haben. Und das Problem, woher diese Betreiber die Listen, was zu filtern wäre und was nicht, bekommen, ist natürlich auch nicht gelöst. Genauso wenig wie das Problem des Lizensierens von Inhalten, die diese User hochgeladen haben. Wer redet denn bitte als Rechteverwerter mit einem privaten Betreiber eines Friendica Pods über ein umfangreiches Lizenzpaket bzw. Checksummenpaket zum Filtern?
Upload-Filter
Artikel 17
Nutzung geschützter Inhalte durch Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten
(4)
Wird die Erlaubnis nicht erteilt, so ist der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten für nicht erlaubte Handlungen der öffentlichen Wiedergabe, einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung, urheberrechtlich geschützter Werke oder sonstiger Schutzgegenstände verantwortlich, es sei denn, der Anbieter dieser Dienste erbringt den Nachweis, dass er
a) alle Anstrengungen unternommen hat, um die Erlaubnis einzuholen; und
b) nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternommen hat, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke und sonstige Schutzgegenstände, zu denen die Rechteinhaber den Anbietern dieser Dienste einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind; und in jedem Fall
c) nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern unverzüglich gehandelt hat, um den Zugang zu den entsprechenden Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu sperren bzw. die entsprechenden Werke oder sonstigen Schutzgegenstände von seinen Internetseiten zu entfernen , und alle Anstrengungen unternommen hat, um gemäß Buchstabe b das künftige Hochladen dieser Werke oder sonstigen Schutzgegenstände zu verhindern.
Einen Lichtblick gibt es aber: Der Betreiber muß nur nachweisen, daß er das ernsthaft und geeignet versucht hat. Er ist aus der Haftung raus, wenn ihn keiner, über dessen Lizenzen er reden wollte, für voll genommen hat. Wie der Betreiber an die Kontaktdaten aller Verwerter, nicht bei Verwertern organisierter und unorganisierter Urheber kommt, das regelt die Richtlinie übrigens auch nicht. Wäre ja auch zu einfach gewesen.
Artikel 12 der neuen Fassung sieht vor, daß Verwertungsgesellschaften auch Lizenzen von Werken einfordern können, deren Urheber ihnen dafür gar keinen Auftrag erteilt haben. Meint, wenn sich der echte Rechteinhaber nicht meldet und kümmert, dann darf die VG das einfach mal in die eigene Tasche umleiten. Es ist nämlich nicht geregelt, daß diese Gelder allgemeinnützlich verwendet werden müssen. Es wird sicher neuer Volkssport VGs auf zumachen.
Aber, in der letzten Fassung der Richtlinie, ist auch etwas Licht am Horizont
Rechte an Veröffentlichungen
Artikel 15
Schutz von Presseveröffentlichungen im Hinblick auf die Online-Nutzung
(1)
Die Mitgliedstaaten legen Bestimmungen fest, mit denen Presseverlage mit Sitz in
einem Mitgliedstaat die in Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2001/29/EG
genannten Rechte für die Online-Nutzung ihrer Presseveröffentlichungen durch Anbieter
von Diensten der Informationsgesellschaft erhalten.
Die in Unterabsatz 1 vorgesehenen Rechte gelten nicht für die private oder nicht-
kommerzielle Nutzung von Presseveröffentlichungen durch einzelne Nutzer.
Der nach Unterabsatz 1 gewährte Schutz gilt nicht für das Setzen von Hyperlinks.
Die in Unterabsatz 1 vorgesehenen Rechte gelten nicht für die Nutzung einzelner
Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einer Presseveröffentlichung.
Das meint, daß so ein Blog wie ich, das ja rein privat ist, auch weiterhin Presseartikel unentgeltlich verlinken und zitieren darf. Wieso man aber einzelne Wörter ausnehmen mußte, wo der Schutz eines einzelnen Wortes nur dann möglich wäre, wenn es eine Marke darstellt, und das ist ja schon im Markenrecht geregelt, erschließt sich mir nicht. Dazu muß man wohl besagter Jurist nach Ludwig Thoma sein 🙂
Auf Artikel 16 haben sich die Verleger gefreut:
Artikel 16
Ansprüche auf einen gerechten Ausgleich
Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass für den Fall, dass ein Urheber einem Verleger ein
Recht übertragen oder ihm eine Lizenz erteilt hat, diese Übertragung oder Lizenzierung eine
hinreichende Rechtsgrundlage für den Anspruch des Verlegers auf einen Anteil am
Ausgleich für die jeweilige Nutzung des Werkes im Rahmen einer Ausnahme oder
Beschränkung für das übertragene oder lizenzierte Recht darstellt.
Der Fettdruck meint, daß der Verleger aus dem großen Pott der Pauschalabgaben, was abbekommt. Das sollte eigentlich allein dem Urheber zu gute kommen.
Fazit
Also für Webseitenbetreiber und Blogger ändert sich erst mal nicht viel. Für Podbetreiber ändert sich einiges, auch einiges, was einer faktischen Unmöglichkeit entspricht, was übrigens ein prima Grund für einen Freispruch darstellt, aber richtig verdienen werden an der Reform nur die Verleger, Vermarkter und Filteranbieter.
Ist eigentlich mal jemandem aufgefallen, daß die Rede von Julia Reda, als einzige mehrfach durch Störmanöver der Vossfraktion unterbrochen wurde? Wer sich das ansehen will:
http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/plenary/video?debate=1553587236695
Minute 24 ff. Auf der Seite ist rechts ein Downloadlink. Wenn Ihr das schon habt, dann schaut es Euch ganz an, weil der Komiker aus Polen ist der Klopfer !
Auffällig war auch, daß Schlipsträger fast geschlossen für das Urheberrecht waren und die anderen ohne Schlips dagegen 😉 Weiterhin war die Debatte von Deutschen dominiert, gefühlt waren das > 50% der Sprecher und persönlich hassen, scheinen sich da auch einige 😀